Abenteuer auf der Fahrt nach Süden

Auf meinem Weg von Tabriz zum Tacht-i-Suleiman-Palast entschied ich mich gegen die langweilige Autobahn, die auch einen riesigen Umweg bedeutet hätte. Stattdessen wählte ich den kürzesten, direkten Weg. Zunächst schien dies auch eine gute Idee, da die Landschaft, durch die ich fuhr, einen ganz eigenen, unwirtlichen Charme hatte.

Doch je näher ich meinem Ziel kam, umso schlechter wurde die Straße, bis sie schließlich ganz aufhörte und in eine Dreckpiste überging. 
Das kannte ich ja schon von Georgien und Armenien, also fuhr ich einfach weiter.
Schließlich landete ich in einem winzigen Dorf irgendwo mitten im Nirgendwo. Sofort lief das halbe Dorf zusammen, um mich zu bestaunen. Nachdem ich einigen Männern mein Ziel auf der Karte gezeigt hatte, deuteten sie auf eine Dreckpiste, die hinter dem Dorf fast 45 Grad den Berg hoch führte. 
Ich überlegte kurz, ob ich wieder umkehren sollte, doch das hätte bedeutet, dass ich rund 50 km zurück zur Hauptstraße hätte fahren müssen, worauf ich absolut keine Lust hatte.
Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und begann mein vollgepacktes Motorrad im zweiten Gang den steilen Hang hinauf zu quälen.
Die ersten 3-4 Kilometer klappte das auch einigermaßen gut. Doch es wurde nicht nur immer steiler, sondern vor allem bestand der Untergrund zunehmend nur noch aus einem Mehl ähnlichen, feinen Staub unter dem sich meist unsichtbar große Steinbrocken verbargen. Hinzukam, dass dieser gelblich-weiße Puder im grellen Sonnenlicht stark blendete und so kontrastarm war, dass ich praktisch gar nicht erkennen konnte, was da in den nächsten paar Metern auf mich zu kam.
Und als wäre das nicht genug, blies auch noch ein starker Wind von hinten den Berg hinauf, sodass der ganze Staub, den ich aufwirbelte, mir zusätzlich noch die Sicht nahm.
An einer besonders steilen Stelle, wurde die Traktion in dem weichen Staub schließlich so schlecht, dass ich praktisch nur noch sprunghaft vorwärts kam, sobald sich die Reifen bis zum nächsten Gesteinsbrocken durchgegraben hatten. 
Schließlich gab es kein Halten mehr und ich verlor die Kontrolle und konnte nicht mehr verhindern, dass das Motorrad nach rechts auf die Seite kippte.
(PS: Auf den Fotos wirkt es längst nicht so steil, wie es in Wirklichkeit war.)
Zum Glück war ich ja nicht schnell, sodass der Sturz an sich eigentlich nicht sonderlich spektakulär war. Nachdem ich mein Gepäck abgeladen hatte, konnte ich sogar relativ problemlos das Motorrad wieder aufrichten.
Die Frage war jedoch, wie es nun weiter gehen soll!? Sollte ich weiter versuchen den Berg zu erklimmen, oder sollte ich doch besser umkehren?
Ich checkte meine Karte und musste leider feststellen, dass in den folgenden 10-15 Kilometern sogar einige Serpentinen eingezeichnet waren, was bedeutete, dass es dort vermutlich ähnlich steil zugehen würde. Da die Karte ja leider keinen Aufschluss darüber gab, wie gut oder schlecht die Straße bzw. die Dreckpiste dort sein würde, beschloss ich lieber kein Risiko einzugehen und doch besser umzudrehen.
Also packte ich mein Gepäck wieder auf mein Motorrad, was sich als gar nicht so einfach herausstellte, denn mein Motorrad stand alles andere als sicher dort am steilen Hang.
Als ich es dann schließlich geschafft hatte, stieg ich vorsichtig auf mein Motorrad und versuchte zu wenden.
Doch sobald ich auch nur ein kleines Stück rückwärts rollte, war es nur mit großer Mühe möglich, dass Motorrad wieder zum Stehen zu bringen, da ich einfach weiter rutschte. Schnell wurde mir klar, dass die Idee umzukehren, vielleicht nicht die beste Idee war, denn selbst wenn ich es schaffen sollte, das Motorrad zu wenden, würde ich bei der Fahrt hinab, vermutlich kaum in der Lage sein kontrolliert zu Bremsen, da der Untergrund einfach zu wenig Halt bot.
Viel eher würde ich wahrscheinlich wie eine Lawine zu Tal donnern, worauf ich dann doch keine große Lust hatte.
Also änderte ich spontan meinen Plan und beschloss doch die Flucht nach vorn anzutreten und mich weiter den Berg hoch zu quälen, in der Hoffnung, dass dann oben angekommen, die "Straße" wieder besser würde.
Doch leichter gesagt als getan, denn als ich losfahren wollte, kam ich praktisch nicht vom Fleck, da meine Räder einfach durchdrehten und nur jede Menge Staub aufwirbelten.
Nach einigen Flüchen brach ich weitere Versuche ab und überlegte, was ich tun könnte.
Ganz offensichtlich war in beide Richtungen mein Gewicht, das eigentliche Problem. Bergab war ich zu schwer um zu bremsen und bergauf war ich zu schwer um vom Fleck zu kommen.
Also beschloss ich mein Gepäck abzuladen und am Straßenrand zu lassen, während ich mit dem leeren Motorrad den Berg hinab zurück ins Tal zu dem Dorf zu fahren und dort jemanden zu bitten, mit dem Geländewagen o.ä. mein Gepäck zu holen. Dies erschien mir die einzig verbliebene Lösung.

Gerade als ich damit begonnen hatte, mein Gepäck abzuladen, kündigte sich durch eine Staubfahne ein Fahrzeug an, dass den Berg hinab kam.
Schließlich blieb ein alter Lada-Geländewagen 10 Meter vor meinem Motorrad stehen. 
Ich lief zu ihm hin und es stellte sich zum Glück heraus, dass er sogar ein bisschen Englisch verstand. Also erklärte ich ihm meine missliche Lage und fragte ihn, ob es möglich wäre, dass er mein Gepäck mit hinab ins Tal nehmen würde.
Natürlich erklärte er sich sofort gerne dazu bereit.
Während ich also Stück für Stück mein Gepäck auf seinen Rück- und Vordersitz verteilte, bemerkte ich, dass er selbst als er mir die Hintertür aufmachte, immer mit einem Fuß auf dem Bremspedal stehen blieb. Offenbar traute auch er seinen Bremsen an diesem steilen Hang nicht so Recht.
Als ich alles verladen hatte, fragte er mich, wo ich denn hin wollte. Als ich es ihm auf der Karte zeigte, erklärte er, dass die Straße bergauf nur noch ca. 5 km so schlecht wäre und ab dann sogar wieder geteert sei. Wir beschlossen also, dass ich voraus weiter den Berg hinauf fahren würde, bis zu der Stelle, wo die Teerstraße beginnt und er in der Zwischenzeit im Tal umdreht und mit dem Gepäck dann nachkommt.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn ehrlich gesagt, hatte ich selbst mit unbeladenem Motorrad keine große Lust diesen steilen Berg wieder hinabzufahren.
Mit leerem Motorrad gelang es mir dann zum Glück auch wieder am Berg anzufahren und mich weiter den Berg hoch zu quälen.
Kaum war ich den steilen Abhang oben, wurde die Staubpiste auch schon wieder deutlich einfacher befahrbar. 
Als ich schließlich bei der Teerstraße ankam, dauerte es nicht lange und der alte Lada tauchte hinter mir auf.
Ich dankte ihm überschwänglich für die Rettung aus meiner misslichen Lage.
Nachdem ich mein Gepäck wieder zurück auf mein Motorrad verladen hatte, wollte ich meinem Retter ein bisschen Geld für seine Mühe geben, dass er jedoch trotz mehrerer Versuche meinerseits auf keinen Fall annehmen wollte. Also bedankte ich mich erneut herzlich bei ihm und dann verabschiedete er sich, drehte seinen alten Lada um und machte sich wieder auf den Weg hinab ins Tal.
Der Rest meiner Strecke verlief dann zum Glück völlig problemlos.
Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so auf eine Dusche gefreut, wie später am Abend, als ich schließlich in mein Hotel eingecheckt hatte.
Nicht nur mein Motorrad und mein Gepäck waren über und über mit dem gelblich-weißen Staub bedeckt, sondern auch ich. Im Mund, in der Nase, in den Ohren, in den Haaren - alles war voll damit.
Nachdem ich geduscht und etwas gegessen hatte, fiel ich tot müde ins Bett.
Das war definitiv die schwierigste und anstrengendste Etappe auf meiner bisherigen Reise.

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