Über den Učka-Pass in die Kvarner Bucht

Nach einer herrlich ruhigen Nacht, überlege ich lange, ob ich weiterfahren soll, oder noch eine weitere Nacht in dem kleinen Örtchen Hum bleiben soll, um vielleicht ein wenig zu arbeiten. Meine Wetter-App rät mir jedoch den herrlich sonnigen Tag zu nutzen und weiter zu fahren.

Also packe ich meine sieben Sachen zusammen und verabschiede mich von meiner Host-Familie, die mich noch spontan zu einem Cappuccino einladen und ein kleines Schwätzchen mit mir halten. Doch dann fahre ich los.

Erneut geht es über kleine, kurvige Straßen in Richtung Kvarner Bucht. Doch zwischen mir und der Kvarner Bucht liegt noch das Učkagebirge. Der Berg Vojak mit einer Höhe von 1.401 Metern, der mich mit seinem schneebedeckten Gipfel schon gestern beeindruckte, kommt immer näher. Natürlich nehme ich nicht die Autobahn die mit einem Tunnel durch den Berg geht, sondern entscheide mich für den Pass, der über den Berg führt. Abenteuerliche Serpentine führen mich immer höher und zunehmend weht mir ein eisiger Wind um die Nase. Nach einem kurzen Stopp, bei dem ich mich wärmer einpacke, geht es weiter und nach und nach liegen immer mehr kleine Schneefelder links und rechts neben der Straße. Die Straße selbst ist jedoch, anders als noch in der Schweiz, komplett schneefrei und problemlos befahrbar.

Kaum bin ich am Scheitelpunkt des Passes angekommen, eröffnet sich mir ein atemberaubender Blick über die Kvarner Bucht und deren Hauptstadt Rijeka, die die dritt größte Stadt Kroatiens ist. Eigentlich hatte ich mir ein Hostel in Rijeka für die nächste Übernachtung ausgesucht, doch von hier oben, wirkt die Stadt eher wie eine hässliche Industriestadt. Aber mal abwarten. Also fahre ich erneut über eine abenteuerliche Serpentine immer weiter hinab zur Küste.

Auf halber Strecke, entdecke ich ein kleines Örtchen, dessen Kappelle auf einer impossanten Erhebung steht und einen tollen Ausblick über die ganze Bucht verspricht. Also mache ich einen kleinen Abstecher, der sich jedoch noch als fataler Fehler entpuppen soll. Da ich keine Lust habe, in meinen schweren, warmen Motorrad-Klamotten bis zur Kappelle hinauf zu stapfen und offensichtlich auch ein kleiner Pflasterstein-Weg hinauf führt, versuche ich mein Glück und fahre mit dem Motorrad hinauf. Auf den letzten paar hundert Metern wird die kleine Gasse jedoch immer steiler und steiler. Oben angekommen, macht sie urplötzlich einen mehr als 90° Knick auf einen kleinen Parkplatz, was vorher nicht zu sehen war. Hatte ich im zweiten Gang gerade noch genug Power um die steile Gasse hoch zu kommen, muss ich nun so abrupt auf den Pflastersteinen abbremsen und mein Lenkrad herum reisen, dass mein Motor nur noch kurz stottert und dann abwürgt, da ich es nicht mehr rechtzeitig schaffe in den ersten Gang zu wechseln. Gleichzeitig fängt mein Motorrad sofort an um zu kippen und ich schaffe es trotz größter Kraftanstrengung nicht mehr, die ca. 300 kg noch abzufangen. Da ist es auch schon passiert! Zum ersten Mal stürzt mein Motorrad um, ohne dass ich es verhindern kann und das an der denkbar ungünstigsten Stelle, an einem steilen Hang mit rutschigen Pflastersteinen. Als ich versuche es wieder aufzuheben, wird mir sofort klar, dass das mit dem ganzen Gepäck völlig unmöglich ist. Also lade ich erst mal alle Koffer und Taschen ab, soweit das möglich ist. Auf dem linken Seitenkoffer scheint jedoch das Hauptgewicht des Motorrads zu liegen, so dass ich ihn natürlich nicht weg bekomme. Doch auch ohne Gepäck merke ich nach einigen Versuchen, dass ich das Motorrad alleine nie hoch bekomme, zumal es bei jedem Versuch anfängt, über die Pflastersteine bergab zu rutschen. Also mache ich mich auf, jemanden zu suchen, der mir helfen kann. Nach einigen Minuten finde ich auch ein junges Pärchen, das gerade mit seinem Wagen los fahren wollte. Sofort erklärt sich der Mann bereit, mir zu helfen und mit gemeinsamen Kräften, schaffen wir es schließlich auch, das Motorrad wieder aufzurichten und ich fahre die letzten Meter auf den rettenden Parkplatz. Ich bedanke mich bei meinem Helfer und untersuche erst mal mein Motorrad auf eventuelle Schäden. Doch zu meiner großen Erleichterung, sind außer ein paar Kratzern am Koffer, der wohl das meiste abgefangen hat, keine weiteren Schäden auszumachen. Ich bin ziemlich erstaunt, dass selbst der Koffer weder verzogen noch eingebeult ist. Offensichtlich sind die Dinger doch stabiler als ich gedacht hätte! Auch die von mir selbst montierten, hoch klappbaren Fußrasten haben sich nun bewährt, da sie tatsächlich einfach weg geklappt sind, als sich das Motorrad auf die Seite legte.

Trotzdem nagt der Sturz ziemlich an mir, da mir plötzlich vor Augen geführt wird, wie schnell so etwas passieren kann und dass man dann auch völlig Macht los ist, um irgend etwas dagegen zu tun. Mir schwant langsam, dass das wohl nicht mein letzter Sturz auf dieser Reise sein wird und ich hoffe inständig, dass es immer so glimpflich ausgehen wird, wie dieses Mal!

Nur ein wenig entschädigt schließlich der tatsächlich spektakuläre Ausblick über die Kvarner Bucht.
Als ich mich gerade wieder abfahrbereit mache, versucht ein Pärchen mit seinem SUV die gleiche Kurve zu bekommen, in der es mich vorhin auf die Schnauze gelegt hat und zu meiner eigenen Genugtuung, schaffen auch die das nur gerade so, mit durchdrehenden Reifen und stotterndem Motor. Diese scheiß Kurve scheint also nicht nur für mich ein gewisses Problem darzustellen! Das beruhigt mich dann doch etwas. ;-)

Die Fahrt über das Kopfsteinpflaster den Berg hinab stellt zum Glück dann kein Problem mehr dar und so fahre ich weiter nach Rijeka. Dort angekommen schlängele ich mich durch den dichten Verkehr in Richtung des Hostels und stelle dabei fest, dass mich mein erster Eindruck nicht getäuscht hat und es sich bei Rijeka wirklich um eine ziemlich hässliche Industrie-Stadt handelt. Als ich an meinem anvisierten Hostel vorbei komme, scheinen die noch nicht mal einen Parkplatz zu haben und so halte ich noch nicht mal an, sondern ändere spontan meinen Plan und entscheide mich, weiter auf die Insel Krk zu fahren.

Dazu muss ich auf die Autobahn, da das die einzige Strecke ist, die über eine Brücke auf die Insel führt. Auf langen Strecken auf der Autobahn zeigen elektronische Schilder eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h wegen starkem Seitenwind an. Das hatte ich bis jetzt auch noch nicht. Doch schnell merke ich, dass die das nicht ohne Grund machen, denn immer wieder erfassen mich so starke Windböen von der Seite, dass ich mein Motorrad regelrecht gegen den Wind lehnen muss, um nicht aus der Spur geweht zu werden. Also kralle ich mich am Lenkrad fest und fahre in Schlangenlinien über die Autobahn in Richtung Krk. Vor der Bücke, die auf die Insel führt, muss ich an einer Mautstelle halten, um 2,77 Euro Maut entrichten. Doch dann ist der Weg frei und ich fahre über die halbe Insel direkt nach Krk, da es laut Campingführer dort einen Campingplatz geben soll, der ganzjährig geöffnet hat. Erstaunt stelle ich unterwegs fest, dass wohl die ganze Insel aus Gestrüpp und etwas niedrigem Wald besteht, nur direkt an den Küsten sind ein paar kleine Orte zu sehen. Für Tiere ist das hier sicher ein Paradies, sonderlich fotogen ist es aber sicher nicht.

In Krk angekommen, erklärt mir die Dame an der Rezeption des Campingplatzes, dass sie leider keine Hütten oder ähnliches vermieten, was ich eigentlich gehofft hatte, da hier doch eine ziemlich kalte Briese weht und ich nicht wirklich Lust aufs Zelten verspüre. Außerdem sollte ich dringend mal wieder etwas arbeiten. Die Dame gibt mir den Tipp doch mal im Touristen-Büro nachzufragen, ob noch irgendwo Betten frei sind. Also fahre ich ein paar Straßen zurück, nur um dann vor einem geschlossenen Touristen-Büro zu stehen. In der winzigen Kneipe direkt daneben, frage ich nach, ob es eventuell noch ein anderes Touristen-Büro gibt und sofort entspannt sich unter den Anwesenden eine kleine Diskussion, wie mir am besten zu helfen wäre. Ein älterer Herr übersetzt für mich die Ergebnisse der Diskussion ins Deutsche. Einer der Männer an der Bar, telefoniert kurz und meint dann, dass er ein Zimmer für 30,- Euro/Nacht organisieren könnte. Ich zögere erst, da ich mir eigentlich selbst ein Limit von 20,- Euro/Nacht gesetzt hatte, um auf meiner Reise für Unterkünfte nicht mehr auszugeben, als ich zuhause für die Miete bezahlt hätte, aber schließlich willige ich ein. Wie sich kurz darauf heraus stellt, war die Person, mit der er telefoniert hatte, seine Mutter und bei dem "Zimmer" handelt es sich tatsächlich um ein ganzes Apartment mit Küche, Wohnzimmer, Bad und Schlafzimmer und sogar einem kleinen Balkon ganz für mich alleine. Nun, dann sind die 30,- Euro natürlich gerechtfertigt und ich freue mich, endlich mal wieder eine eigene Küche zur Verfügung zu haben, so dass ich mir seit meiner Abreise, zum ersten Mal ein richtiges, ausgiebiges Mahl zubereiten kann. Nach dem ich ausgepackt habe, mache ich mich zu Fuß auf den Weg in den Supermarkt und kaufe Fischfilet und Gemüse, dass ich mir dann später zu einem köstlichen Mahl zubereite. Wie lecker doch so eine angedünstete Zwiebel schmecken kann!

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